Freitag, 28. Januar 2022

Das Gutachten, das keins ist

Es liegt mir vor.
Zuerst zwei kleine Korrekturen: Die Rechnung im letzten Post ist so nicht ganz korrekt. Warum sie aber doch irgendwie stimmt, später.
Und das Dokument "Energiepark Amtsweide: Neubau eines Energieparks zur Wärmeerzeugung" ist kein Gutachten sondern eine "Grundlagenermittlung und Vorplanung" von der Dr. Born - Dr. Ermel GmbH (im folgenden als Dokument bezeichnet).

In dem Dokument ist in der Fußzeile das Datum 25.08.2021 zu finden. Wann es genau bei der Stadt Geestland eingegangen ist, weiß ich nicht. Ich gehe aber davon aus, dass es zeitnah zu vermerktem Datum geschehen ist.
Dass ein solches Dokument existiert, wurde mir bereits im Oktober 2021 mitgeteilt. Da es sehr umfangreich ist, werde ich im Artikel immer nur relevante Auszüge veröffentlichen. 

Dieses Dokument wurde in einer "nicht öffentlichen Sitzung" im Stadtrat behandelt. Mit welcher Begründung? Laut Gemeindeordnung § 35 "Öffentlichkeit der Sitzungen" heißt es: 
"Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich. Nichtöffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern;...".
Beide Punkte sehe ich hier nicht gegeben. 

In dem Dokument wird Bezug genommen auf die Vorhabenbeschreibung der Stadt Geestland vom 25.04.2019, einer Machbarkeitsstudie der Fa. Viessmann vom 19.11.2018 und einem EFRE-Gutachten (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung) vom 23.04.2019.

Die Berechnung im Dokument ergibt eine geschätzte Ersparnis von 1016 t/a CO2. Wo vorher immer 900 t/a CO2-Einsparung für das Projekt genannt wurden, tauchten irgendwann 1000 t/a. Das zeigt, dass das Dokument gelesen wurde. Was aber befremdlich ist, ist dass die positive Zahl aus ihm übernommen wird, die negative Zahl der höheren Investitionskosten von über 5,3 Millionen Euro jedoch nicht. 
Auch im Artikel der NZ vom 14.01.22 ist von 5 Millionen die Rede. Das ist eine vorsätzliche Falschinformation. Link1
Na ja, 300 000,- Euro sind vielleicht nicht der Rede wert, die machen den Kohl nicht fett, mag man denken. Doch das ist nicht alles.
Unter Punkt 5 in dem Dokument wird die Kostenschätzung aufgelistet, mit einem Ergebnis von 5.325.185,- Euro. Darunter noch folgender Zusatz:
"Es ist zu beachten, dass aufgrund der noch nicht vorliegenden Gründungsempfehlung weitere Kosten bei der Gründung und/oder Wasserhaltung anfallen können."
Gründungsempfehlung? Bei einem Untergrund, der schon in der Vorhabenbeschreibung als "schwieriger Baugrund, Moor" bezeichnet wird, muss eine Gründungsempfehlung eingeholt werden? Nein, denn es ist klar wie Kloßbrühe, dass hier gegründet werden muss!

Das EFRE-Gutachten kommt, laut der Angaben im vorliegenden Dokument, sogar auf eine maximale Investitionssumme von 6,4 Millionen Euro, die aus der Einsparung von 896 t/a CO2 resultieren, da kommen wohl die vorher immer angeführten 900 t/a her.
Hier wird Wärme zu 17% aus Solarthermie, 78% aus Biomasseverbrennung und 5% aus Erdgas erwartet.
Erdgas? Ja, denn: 
"Für die Bereitstellung der Spitzenlastwärmemengen und der Sicherstellung der Redundanz der Wärmeerzeuger wird in der Heizzentralle ein Erdgaskessel installiert. Um den Wärmebedarf der Schule und der Therme vollständig decken zu können wird ein 1.500 kW starker Gaskessel gewählt." Quelle Dokument 
Wurde diese Tatsache so schon kommuniziert? In der veröffentlichten Vorhabenbeschreibung der Stadt Geestland jedenfalls nicht. 

"Rohstoff Holz (Grünschnitt) steht in einer Menge von ca. 4.000 cbm im Zeitraum Oktober bis April zur Verfügung,..." Quelle Dokument
Diese 4000 m³ wurden übernommen aus der Vorhabenbeschreibung der Stadt Geestland:
"Der wertvolle Rohstoff Holz fällt bei der Pflege der stadteigenen Wirtschaftswege und Grünanlagen in ausreichender Menge (etwa 4.000 cbm) im Zeitraum Oktober bis April an...".

Damit kommen wir zur Rechnung aus dem vorherigen Post. Mit dieser Menge Grünschnitt lassen sich die dort erwähnten 472 Tonnen CO2 einsparen. Damit wird jedoch nur ein Teil der benötigten Energie erzeugt. Um das Ziel zu erreichen, werden schätzungsweise 6000 m³ benötigt.
"Somit ergibt sich eine Wärmemenge von 2000 MWh pro Jahr bei einer Grünschnittmenge von 4000 cbm. Dadurch können 472 tCO2/a gespart werden. Um die CO2-Einsparungsziele zu erreichen, sollte mehr Grünschnitt-Biomasse in dem Biomasseheizkessel verbrannt werden, da andernfalls die fehlende Wärmemenge durch den Erdgaskessel erzeugt werden muss. Die benötigte Menge des Grünschnittes wird aktuell auf ca. 6000 cbm pro Jahr geschätzt." 

Déjà-vu? Genau, diese Rechnung hatte ich im Artikel "Güssing, Hallerndorf und Bad Bederkesa" auch schon aufgestellt (Link2). Fehlen also noch 2000 m³ und die gibt es in der Stadt Geestland nicht, denn in der Vorhabenbeschreibung der Stadt Geestland wird eine "ausreichende Menge von etwa 4000 m³" angeführt, die anfällt, s.o. 
Die Stadt kann mit der bei ihr anfallenden Grünschnittmenge nur 472 tCO2/a einsparen. Ich hatte diese Zahl auf das gesamte Holzheizkraftwerk bezogen. Wenn mehr Grünschnitt da wäre, könnte natürlich mehr CO2 eingespart werden. Davon gehen die Planer aus und errechnen somit für den Energiepark:
"Durch die Nutzung der Solarthermie wird eine CO2-Einsparung von ca. 210 t/a erwartet. Hinzu kommt eine Einsparung von 705 t/a durch die Nutzung der Wärme aus dem Biomassenheizkessel (bei ca. 3000 MWh/a Wärmeerzeugung)." 
Sind 915 t/a, die restlichen 100 errechnen sich aus der geplanten Photovoltaikanlage.

Das Beste, in diesem Fall das größte Übel zum Schluss:
Um die Einsparungen errechnen zu können, muss man den gegenwärtigen Verbrauch haben. In dem Dokument findet sich folgende Aussage:
"Der Wärmebedarf für die beiden Liegenschaften Moor-Therme und Schule Am Wiesendamm beläuft sich derzeit auf rd. 3,8 Mio. kWh jährlich (Mittelwert)."
In dem Energiebericht der Stadt Geestland 2015-2019 findet man jedoch folgende Zahlen für die Moortherme:
Heizenergie nicht witterungsbereinigt 3,343 Mio. KWh/a und witterungsbereinigt, die eigentlich interessante Zahl, 3,88 Mio. KWh/a.
Damit läge allein der Verbrauch der Moortherme über dem, des im Dokument zur Planung verwendeten.
Der Verbrauch der Schule ist in diesem Energiebericht nicht vermerkt, da sie nicht zur Stadt Geestland gehört, wird in dem Dokument aber mit ca. 540 000 KWh/a laut Machbarkeitsstudie angegeben.
Das ergäbe dann für beide Liegenschaften einen Wärmebedarf von über 4,4 Mio. KWh/a.
Wären die Ausführungen in dieser Grundlagenermittlung und Vorplanung noch so brauchbar, wenn die Angabe der Zahlen falsch ist? 
Nein, wie mir von der Firma Born und Ermel bestätigt wurde. 

Noch mal zusammengefasst: Das Energiewerk wird wesentlich mehr kosten, als bisher veranschlagt und die Bürger werden darüber nicht unterrichtet. 
Die genannten 6,4 Millionen Euro aus dem EFRE-Gutachten kommen den wahren Kosten wohl näher, als die bisher kommunizierten 5 Millionen Euro.
Es wird scheinbar bewusst mit falschen Angaben gearbeitet. 

Meine Meinung: In der Kommunikation zu dem Energiewerk wird zu viel gelogen und/oder verschwiegen, um die Akzeptanz für diesen Wahnsinn aufrecht zu erhalten und eine Machbarkeit vorzutäuschen, die gar nicht gegeben ist. 
Dieser Bau dient lediglich dem vermeintlichen Prestige und die Zeiten, in denen "Prunkbauten" nur aus Imagegründen für den Herrscher gebaut wurden, sind in Deutschland doch wohl vorbei.
Der Bürgermeister und auch der Stadtrat sind hier zur Verantwortung zu ziehen und nicht nur zu diesem Thema, es gibt noch mehr Leichen im Keller der Stadtverwaltung.