Donnerstag, 4. August 2022

Nice Guys – wtf

Etwas weg vom eigentlich aktuellen Thema Justiz.
Aber wer zum Teufel nennt seinen Laden "Scheiß-Typen"? 

Erinnert ihr euch noch an die wörtlich übersetzten Redewendungen, die immer viel Spaß machten, wie:

Du bist schwer auf Draht – You are heavy on wire
Ich glaub' mein Schwein pfeift - I think my pig pipes

Das erste Beispiel ist auf jeden Fall so bekannt, dass man ein Zippo mit dem Spruch darauf kaufen kann. Vielleicht deswegen, weil es auf den Bundespräsidenten Heinrich Lübke zurückgeht, der es fast genauso 1965 zu Queen Elizabeth gesagt haben soll.
Auch in späteren Jahren und sogar heute noch sorgte und sorgt dieses "Lübke-Englisch" oder auch "Denglisch" für Vergnügen. 
Hier ein Beispiel aus jüngerer Vergangenheit von Günther Oettinger:

"We are all sitting in the same boat."

Andersherum funktioniert das Spiel natürlich auch. Die wortwörtliche Übersetzung gängiger Redewendungen aus dem englischen/amerikanischen Sprachgebrauch stellt einen dann auch vor die Frage: Was willst du mir sagen?
Hier nur ein Beispiel:

Cut the mustard – Schneide den Senf

Bei einem "nice guy" oder "Nice Guy", ob groß oder klein geschrieben ist nämlich schon ein Unterschied, hat es nicht unbedingt mit der wörtlichen Übersetzung zu tun, sondern mit dem Begriff "nice/nett" an sich.
Wenn etwas entsprechend bezeichnet wird, ist es eben nett und mehr auch nicht. Es ist nicht besonders herausragend, kann aber im Gegenzug dazu die Bedeutung haben, dass es schlecht oder besonders schlecht ist und "nett" nur aus Höflichkeit oder sarkastisch verwendet wird.
Jeder kennt doch die Aussage, dass "nett" der kleine Bruder von "scheiße" ist und diese "Regel" gilt in beiden Sprachräumen.
Benutzt man "nett" in seiner eigentlichen Bedeutung, setzt man deswegen eventuell, um zu unterstreichen, dass man es wirklich so meint, oft "echt" oder "sehr" davor.

An dem "Nice Guy", groß geschrieben, lässt sich jedoch nichts mehr deuteln oder schönreden. Es ist einfach eine Bezeichnung für einen "Scheiß-Typen".
Diese Definition ist auch keineswegs neu.

Mitte der 90er Jahre hatte ich Kontakt zu etlichen Straßenmusikern aus dem englischen Sprachraum. Bei abendlichen Sessions war eine Eigenkomposition eines dieser "Busker" mit dem Titel "Nice Guy" immer besonders gefragt. 
Zu dem Zeitpunkt dachte ich auch noch, dass ein "Nice Guy" eben ein wirklich netter Typ sei. Der Text klärte mich jedoch auf und mir wurde nahe gelegt, auch wenn ich einen Typen noch so nett finden solle, ihn nicht als "Nice Guy" zu bezeichnen. Als "nice guy" wäre noch okay gewesen, aber wie vermittelt man beim Sprechen Groß- und Kleinschreibung?

Das Internet ist voll mit Erklärungen und Definitionen, verlinken werde ich hier jedoch nichts. Wer jetzt neugierig geworden ist, kann sich ja auf die Suche machen und entscheiden, ob er in Zukunft jemanden noch als "Nice Guy" bezeichnen möchte, wenn er ihn gut findet. Ich mache das schon seit den 90ern nicht mehr.

Was motiviert jemanden also einen Laden so zu nennen?
Ist es einfach Unwissenheit und man dachte, dass bestimmt viele Leute zu netten Typen gehen wollen und das Geschäft dann brummt?
Oder sehen sich die Namensgeber als das, was der Begriff nach gängiger Definition aussagt und finden sich damit geil?

Nichts desto Trotz werde ich demnächst mal einen Abstecher dorthin machen. Vielleicht eine Kleinigkeit essen, auf jeden Fall etwas trinken und inständig hoffen, dass mir kein "Nice Guy" begegnet.